Warum schreibt der Büchner-Preisträger Grünbein keine Eulogie auf die Wabenfassade der Galeria Kaufhof?

Die Nachrufe der deutschsprachigen Feuilletons erwähnen durchweg die Mitgliedschaft des Büchner-Preisträgers Pastior in der internationalen Gruppe Oulipo nicht.
Allein die Ex-Kulturstaatsministerin Christina Weiss gibt einen Hinweis in ihrem DF-Interview.
Stattdessen wird konsequent von Pastiors rumäniendeutschem Blut berichtet.

Ich schmuggelte Johannes Bobrowskis Blut durch die Mauer, in der Achselhöhle versteckt.
H. Fichte, Die zweite Schuld

Der Büchner-Preisträger, der Dichter Grünbein schrieb zuletzt einen sehr schlechten Text über den Abriß des Palastes der Republik (“das Zifferblatt einer Uhr ohne Zeiger”, “Zeit, der große Abrißunternehmer”, usw.), wie immer voller Bildungs-Tinef (“Telephos-Fries”, “das Durcheinander der Zeiten”, usw.).
Währenddessen ersetzt Gauinger Travertin die Wabenfassade des Architekturkollektivs Josef Kaiser und Günter Kunert. Kollhoff (nicht Teil des Architekturkollektivs aber des Büros Kollhoff/Timmermann, das den Masterplan Alexanderplatz liefert) begründet die Modernisierung Kleihues’ wie folgt:

(picture courtesy of Ch. Petzold and Neue Melancholie, neues Bürgertum™)

Mit unseren bescheidenen Möglichkeiten, die ja zunächst gesellschaftliche sind, so gut es geht neben Schinkel bestehen zu können, das ist die Herausforderung.

Die entscheidende Frage, die jemand wie Bohrer stellen müsste, wäre tatsächlich, wie diese Stadt nach dem Verlust des Bürgertums geplant werden kann.
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Ich bin entschiedener Befürworter des Stadtschlosses.

Und das Forum-Hotel. Wäre das in Ihrem Plan gefallen?

Ja, aber nun wurde es ja renoviert. Ich weiß nicht, ob die Interieurs noch etwas von diesem DDR-Charme haben, ich vermute nicht. Darüber hätte man diskutieren können. Und es gab auch diese Wabenfassade vom Kaufhof, das musste nicht sein. Das war Egon-Eiermann-Verschnitt.

Aber jetzt haben sie dort den Natursteinfassade wie überall.

Sehen Sie, so agieren die Medien, «Steinfassade wie überall», als ginge es darum, endlich mal was anderes zu machen. Diese Steinfassade ist sehr gut gemacht und hat das Gebäude in ein großstädtisches Kaufhaus verwandelt. Ein Kaufhaus, muss ich betonen, kein Shopping Center. Vor allen Dingen – und das war der entscheidende Grund, die alte Fassade zur Disposition zu stellen – das Gebäude ist durch die Erweiterung erheblich näher an den Platz herangerückt. Wenn Sie jetzt hingehen, obwohl dort noch Baustelle ist, erkennen Sie schon die neue Platzproportion. Langsam wird der Alexanderplatz als städtischer Raum in die Köpfe wandern, nicht nur als zugiger imaginärer Ort, den man mit Döblin in Verbindung bringt. Langsam schwindet das Gefühl, in einer Wüste ausgesetzt zu sein, auch wenn die Hochhäuser noch auf sich warten lassen.
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